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Die Kölner sind Schuld

Wie damals alles anfing – die Jahre 1952 bis 1957
Von Heinz Schweden

Am Anfang war ein Satz – und der stammte auch noch aus dem Mund eines Kölners: „Ist ja eigentlich schade, dass Ihr in Düsseldorf so was Schönes nicht zustande bringt!“ Es war 1952 bei Exerzitien am Totensonntag, dass eine fromm-züchtige Schar von Dekanatsjugendführern die Leviten gelesen bekam: Da gäbe es doch die „Kajuja“ in Köln, die unter ihrem Stadtjugendführer Rudi Conin überall ein beträchtlich-närrisches Aufsehen errege. „Nur schade, dass Ihr in Düsseldorf so was Schönes ...“
Schweigendes Entsetzen, kleinlautes Geächze, Schockstarre! Musste man sich dergestalt von einem Seelenhirten belämmern lassen, dazu noch von einem umfänglichleibhaftigen Kölner, „Jumbo“ geheißen? Düsseldorfs Stadtjugendführer Josef Kürten war außer sich, ging aber alsbald in sich und beschloss: „Wäre doch gelacht, machen eben auch wir eine Karnevalssitzung!“ Gesagt, getan: Der Robert-Schumann-Saal wurde angemietet, 620 Karten wurden hurtig gedruckt, selbige im Nu für je 1,50 Mark das Stück verkauft. Geschafft! Helau! „Habt ihr denn auch ein Programm?“, argwöhnte der „Jumbo“. Man hatte keins! Da half dann nur eine Bittprozession zur „Kajuja“ nach Köln, die in angewandter christlicher Nächstenliebe den Düsseldorfer Jungnarren aushalf.

1954 aber kam alles anders: Man nannte sich „jungkatholischer Untersuchungsausschuss zur Bekämpfung anti-karnevalistischer Umtriebe im katholischen Raum“, mietete gleich für zwei Veranstaltungen den Robert-Schumann-Saal an, druckte 1.500 Karten und engagierte für Gotteslohn eine Polizeikapelle. In einem Rohbau zu Urdenbach versammelten sich schließlich zur Adventszeit gläubige Jungnarren. Diese hielten lautstark Büttenreden, trällerten Parodien und selbst komponierte Schunkelliedchen zu haufenweise von Maria Kürten gebackenen Reibekuchen. Auf der Straße verharrten Passanten: „Sind die Kürtens denn jetzt alle bekloppt?“

Mitnichten! Nur hatte man bei der „Kajuja“-Sitzung in Köln auf Teufel komm raus Reden und Liedtexte im Sinne des Laienapostolates heimlich mitgeschrieben. Dies musste aber nun noch aus dem „Alaafischen“ ins „Helauliche“ transferiert werden. Die Dekanatsjugendführer Nord und Ost, Walter Busse und Manes Deimann, sowie Jungtalente wie beispielsweise Liesel Quirl, Arno Merkel und Herbert Schäfer mussten zur Büttenreife hochgerüstet werden. Jupp Kürten musste ebenfalls in die Bütt, ehe er erstmals als Präsident fungieren durfte. Versuchsweise durfte Heinz Schweden mit einer „katholischen Rede“ als „gültiges beklebtes Bundesmitglied“ auftreten. Ein adeliger Kaplan verließ daraufhin protestierend den Saal wegen Schändung heiliger Namen im Sinne des 2. Gebots.

Stadtjugendseelsorger Jumbo Kamphausen vereitelte allerdings, dass Büttenreden-Manuskripte künftig vorgelegt werden mussten. Maria Kürten übernahm die freiwillige Selbstkontrolle. Derart knapp am Index vorbeigeschrammt, tauchten 1955 schwerwiegende Probleme auf. Alle wollten „en Kaat han“. Trotz der vier anberaumten Sitzungen im Robert-Schumann-Saal musste rationiert werden: Jede Pfarre bekam ein Kontingent zugeteilt, was in der Adventszeit von den Kanzeln verkündet wurde. Ernsthaft wurde man auf den frommen Nachwuchs aufmerksam: „Ne ärme Deuwel“ (Manfred Klostermann)“, „Ämil Kalodrischkeit und Schutzmann“ (Hermann Esser/Josef Kiefer), „d’r Majäng“ (Heinz Schlebusch), „Zwei Heiwis“ (Heinz Storch/Willi Bohne), die „Pfarrköchin“ (Hanni Jung). Für Gotteslohn traten die vier „Mosterts“ auf. Seine „katholische Rede“ musste Heinz Schweden 1955 unter falschem Namen halten, weil er sonst durchs Abitur gefallen wäre.

tl_files/kakaju/Geschichte/Tanzpaar Prinzengarde - 1956.jpgIn der närrischen Session 1956 beehrte zum ersten Mal die Prinzengarde Rot-Weiß mit Tanzpaar und Eselchen die katholischen Jungnarren. Schwungvoll unterstützt von der neu gegründeten „Don-Camillo-Band“ unter Leitung vom Mathematikstudent Heino Ingen – der eigentlich Heinz Ingenhag hieß und ein Neffe von Stadtjugendseelsorger Kamphausen war. Närrisch risikobewusst brillierte erstmals eine Tanzgarde aus der Pfarre Maria Empfängnis – allerdings in züchtigen Röckchen und mit voll bestrumpften Beinen. Mit Liesel Quirl wetterte die erste jungkatholische Frauenrechtlerin gegen „dat janze unnütze Männerjedöhns“ – wobei sie vorsorglich anmerkte, dass der anwesende Klerus selbstverständlich ausgenommen sei …

Jupp Kürten und seine Vertrauten hatten die Nörgelei derer, die „nie en Kaat kriejen“ konnten, satt. Also griff man im Jahr drauf beherzt nach den Sternen und zog in das Planetarium am Rhein, später Rheinhalle geheißen. Und das gleich zweimal, in der Hoffnung, 4000 Plätze würden vorerst ausreichen. Verwunderung, gar Empörung im Düsseldorfer Narrenreich. Was bildeten sich diese katholischen Jungjecken da nur ein? Kein dem Düsseldorfer Karnevalsausschuss ordnungsgemäß und beitragspflichtig angeschlossener Verein hatte sich je in eine derartige Größenordnung vorgewagt. Und diese halbstarken Jecken hatten ja nicht einmal eine Satzung, einen Vorstand, eine Fahne. Sie verliehen keine prunkvollen Gala-Protz-Orden, gaben keine Empfänge, ließen Redner, Parodisten und Sänger nur für lau auftreten. Und das Schlimmste: Kinderarbeit! Rund 150 Altstadtpänz aus den Froh- und Jungschargruppen der Altstadtpfarreien stürmten knatschverrückt unter närrischem Geschrei in drei Formationen die Rheinhallenbühne, schmetterten ihre selbst gedichtete Hymne „Halbe Starke – ganze Jecke“! Das war jahrelang die „Eisbrechernummer“.

Dieser jungkatholische Präsident Jupp Kürten, der behauptete, vom Kölner Kardinal persönlich die kirchliche Druckerlaubnis für das obligatorische Abbützen unbescholtener Funkenmariechen erhalten zu haben, der seinem Hoppeditz August Scheuss erlaubte, größere Sprünge zu machen als alle anderen Zeremonienmeister der Stadt. Dieser Kürten, dem man „tollitäre“ Führungsqualitäten nachsagte, der musste zur närrischen Räson gebracht werden. Und also erhielt das Düsseldorfer Prinzenpaar des Jahres 1957 Weisung, die Sitzungen der katholischen Jugend nicht zu beehren. Den Vereinen riet man, von Aufzügen oder Besuchen bei diesen unorganisierten Möchtegern-Karnevalisten abzusehen.

Wer hätte in jener turbulenten Zeit gedacht, dass ein halbes Jahrhundert später, zum 5 x 11-jährigen Jubiläum der „KaKaJu“ im Jahr 2007, das Comitee Düsseldorfer Carneval dem „größten närrischen Dienstleistungsbetrieb der Landeshauptstadt“ in aller Form und ziemlich herzlich gratulieren würde …?

 

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